Kardinal vor La Rochelle by R Merle
Autor:R Merle [Merle, R]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-08-27T11:57:08+00:00
Sire, es ist mir unmöglich, Eurer Majestät nicht zu bekunden, wie bekümmert ich bin, ihr eine Zeitlang fern zu sein ⦠Die Betrübnis, die ich verspüre, ist gröÃer, als ich es mir hatte vorstellen können ⦠Die Zeugnisse Eurer Güte und Eures liebenden Gedenkens, welche Ihr selbst mir zu geben geruhtet als auch durch Monsieur de Guron, bewirken, daà das Gefühl, von dem besten Gebieter der Welt entfernt zu sein, mir bitterlich ins Herz schneidet.
Monsieur de Guron hatte geendet, reichte dem Kardinal das Schreiben, und er unterzeichnete es. Wieder faÃte er das Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger, wedelte es, dann faltete er es zusammen und steckte es ein.
Stumm, die Augen gesenkt, lernte ich diesen Brief auswendig, noch während Richelieu ihn diktierte. Gleich in der Karosse wiederholte ich ihn mir im stillen, um ihn ja nicht zu vergessen, und das erste, was ich tat, als ich zu Brézolles mein Zimmer betrat, war, ihn aufs Papier zu werfen, damit er für immer im Familienarchiv aufbewahrt bleibe. Ich tat dies, weil ich den Brief an sich anrührend fand, aber auch, weil es kein besseres Dementi des böswilligen Hofklatsches gab, der, seine Wünsche für die Wirklichkeit nehmend, Monat um Monat verbreitete, der König hasse den Kardinal, und seine Ungnade sei quasi vollendete Tatsache.
***
Briefe, scharf kontrolliert von beiden Seiten, gingen auch vom königlichen Lager nach La Rochelle und von La Rochelle ins königliche Lager. Trotzdem war ich bei meiner Rückkehr nach Brézolles nicht wenig überrascht, als Madame de Bazimont mir beim abendlichen Tee einen Brief übergab, der aus dem »hugenottischen Wespennest« zu uns gelangt war. Die königlichen Zensoren hatten ihn erbrochen, gelesen und neu mit liliengeziertem Wachs gesiegelt zum Zeichen, daà er dem Empfänger bedenkenlos ausgehändigt werden könne.
Ich bat Madame de Bazimont, mich zu entschuldigen, setzte mich ein wenig abseits und überflog das Sendschreiben, dann las ich es erneut, voll einer Verblüffung, die mit jeder Zeile wuchs. Hier nun der Brief, genau so, wie er geschrieben stand, ohne etwas auszulassen noch hinzuzufügen.
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